Steckbrief: Tanzen – der Charleston und seine Varianten
Steckbrief: Tanzen – der Charleston und seine Varianten
Der Charleston. Schon beim Klang des Namens taucht ein Bild auf: kurze Kleider mit Fransen, Federboas, Zigarrenrauch in verrauchten Bars, schnelle Schritte, rhythmisches Wippen. Aber hinter diesem ikonischen Tanz steckt mehr als nur ein Klischee aus den 1920er Jahren. Er ist eine Art Zeitmaschine, ein Symbol für Aufbruch, für Wildheit – und gleichzeitig ein handfester Tanz mit klarer Technik, Varianten und Geschichte.
Herkunft und Entstehung
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Ursprung: Der Charleston entwickelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA. Seinen Namen bekam er von der Hafenstadt Charleston in South Carolina.
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Musikalischer Kontext: Um 1923 herum wurde er durch den Song “The Charleston” von James P. Johnson bekannt. Dieser Ragtime-Jazz prägte die Tanzbewegungen entscheidend.
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Gesellschaftlicher Hintergrund: Der Tanz war Ausdruck der „Roaring Twenties“ – einer Zeit von wirtschaftlichem Boom, Prohibition, Clubs, Jazzbands und neuen Freiheiten. Frauen schnitten sich die Haare kurz, trugen frechere Kleidung und tanzten in einer bis dahin ungekannten Offenheit.
Dass ausgerechnet der Charleston so populär wurde, lag am Zusammenspiel von Musik und Zeitgeist. Er war frech, schnell, laut. Genau das, was eine ganze Generation wollte.
Grundelemente des Charleston
Der Tanz basiert auf einer Kombination aus schnellen Kicks, verdrehten Knien, energischem Fußspiel und einer federnden Körperhaltung. Charakteristisch ist das ständige Drehen der Knie nach innen und außen. Wer das einmal probiert, merkt schnell: Das sieht witzig aus, fühlt sich aber nach ein paar Minuten ziemlich anstrengend an.
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Takt: Meist im 4/4-Takt.
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Tempo: Zwischen 200 und 300 bpm (Beats per Minute). Das ist schnell. Sehr schnell.
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Körperhaltung: Leicht nach vorne geneigt, keine „steife“ Standardhaltung.
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Schritte: Kick – Step – Kick – Step. Dazu oft Armbewegungen, die gegengleich zum Beinspiel geführt werden.
Ein bisschen wirkt es so, als würde man über imaginäre Stolperfallen hüpfen.
Solo- und Partner-Varianten
Der Charleston ist nicht nur ein Tanz. Er ist ein kleines Universum mit verschiedenen Stilen.
1920s Charleston
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Wird meist solo getanzt.
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Typisch für die Swing-Ära.
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Besonders beliebt bei Frauen, die in den „Flapper Dresses“ (Fransenkleidern) die Bewegungen betonten.
1930s Charleston
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Eng verwandt mit dem Lindy Hop.
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Partnerorientiert, eingebunden in die Swing-Szene der 1930er.
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Schritte oft an das Tempo angepasst, teilweise langsamer und geschmeidiger.
Collegiate Charleston
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Häufig in Tanzschulen vermittelt.
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Einfachere Figuren, dafür leicht erlernbar.
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Eignet sich auch für Anfänger im Swing.
Solo Charleston
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Heute auf Festivals, in Shows und Workshops sehr beliebt.
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Tänzer*innen improvisieren mit klassischen und modernen Elementen.
Electro Charleston / Neo Charleston
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Moderne Variante, bei der Elektroswing-Musik die Basis bildet.
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Entstand ab den 2000er Jahren.
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Verbindung von Retro-Schritten mit Clubkultur.
Musikalischer Steckbrief
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Tempo: Extrem variabel, von 180 bpm bis jenseits der 300 bpm.
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Instrumente: Klavier, Trompete, Klarinette, Schlagzeug, Kontrabass.
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Typisch: Synkopen, Offbeats, treibender Rhythmus.
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Beispiel-Songs:
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„The Charleston“ – James P. Johnson (1923)
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„Black Bottom Stomp“ – Jelly Roll Morton (1926)
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Neuzeitlich: Caravan Palace (Electro Swing).
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Technik und Training
Wer den Charleston lernen will, sollte sich auf zwei Dinge einstellen: Ausdauer und Koordination.
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Ausdauer: Schon nach wenigen Minuten merkt man die Belastung in den Oberschenkeln. Der Tanz war nicht umsonst ein Ausdruck von überschäumender Energie.
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Koordination: Arme und Beine bewegen sich oft gegengleich. Das macht den Tanz lebendig, sorgt aber auch für ordentlich Gehirnjogging.
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Trainingstipp: Erst langsam einsteigen, das Tempo steigern. Wer gleich bei 240 bpm loslegt, scheitert garantiert nach 30 Sekunden.
Gesellschaftliche Bedeutung
Der Charleston war mehr als nur ein Tanz. Er war ein Statement:
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Frauen nutzten ihn, um traditionelle Geschlechterrollen zu sprengen.
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Er passte perfekt in die Zeit der Prohibition, als Tanzclubs heimliche Orte der Freiheit waren.
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Kirchen und Konservative kritisierten ihn massiv – er galt als „unsittlich“.
Gerade weil er aneckte, wurde er so beliebt.
Charleston in Europa
Schon Mitte der 1920er Jahre schwappte die Charleston-Welle nach Europa.
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In Berlin tanzte man in den Clubs der Weimarer Republik.
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In Paris verband er sich mit dem dortigen Jazz.
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In London gab es 1925 sogar Wettbewerbe, bei denen Tänzer*innen bis zur Erschöpfung auftraten.
Die konservative Presse nannte ihn damals „amerikanischen Unfug“. Heute wirkt das fast harmlos.
Varianten und Stile im Überblick
Variante | Zeitraum | Besonderheit | Heute relevant? |
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1920s Charleston | 1920–1929 | Solo, Flapper-Kultur | Ja, Shows/Festivals |
1930s Charleston | 1930–1940 | Partnerorientiert, Swing-Szene | Ja, Swingtanz |
Collegiate | ab 1930 | Lernfreundlich, vereinfacht | Ja, Tanzschulen |
Electro / Neo | ab 2000 | Verbindung mit Elektroswing | Ja, Clubs, YouTube |
Performance-Stile | ab 1980 | Showdance, Wettbewerbe | Ja, Szene weltweit |
Charleston heute
Er ist nicht verschwunden. Im Gegenteil:
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Swing-Festivals: In Städten wie Herräng (Schweden), Berlin oder New Orleans.
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Tanzschulen: Viele Swing-Communities bieten Charleston-Workshops an.
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Soziale Medien: Auf TikTok & Co. tauchen regelmäßig Charleston-Clips auf, oft modern interpretiert.
Und natürlich: Electro-Swing-Partys, wo Charleston-Schritte plötzlich neben Techno-Moves funktionieren.
Persönlicher Einschub
Ich habe selbst mal versucht, Charleston zu lernen. Drei Minuten lang. Dann brauchte ich Wasser und Sauerstoff. Kein Scherz. Das Tempo reißt einen mit, aber es fordert gnadenlos. Man versteht schnell, warum dieser Tanz eine ganze Generation elektrisiert hat. Er lässt dich nicht stillstehen.
Fun Facts
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1925 gab es einen Charleston-Bann in einigen US-Städten. Grund: Verletzungsgefahr auf zu engen Tanzflächen.
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In London kippte bei einem Wettbewerb der Boden einer Tanzhalle, weil zu viele Paare gleichzeitig sprangen.
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Der Tanz wurde in über 100 Filmen der 1920er und 30er Jahre gezeigt.
Charleston im Vergleich zu anderen Tänzen
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Lindy Hop: Weniger hektisch, dafür komplexer in Figuren.
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Tango: Ernst, dramatisch – das Gegenteil vom ausgelassenen Charleston.
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Hip-Hop: Überraschend ähnlich in der Energie und der Betonung auf Improvisation.
Charleston lernen – ja oder nein?
Ganz klar: Ja. Auch wenn es anstrengend ist.
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Für Anfänger: Ideal, um Rhythmusgefühl und Lockerheit zu trainieren.
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Für Fortgeschrittene: Eine coole Ergänzung zu Swing-Tänzen.
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Für alle anderen: Ein verdammt gutes Workout.
FAQ
1. Ist Charleston schwer zu lernen?
Nicht unbedingt. Die Grundschritte sind simpel, das Tempo ist die Herausforderung.
2. Kann man Charleston auch ohne Partner tanzen?
Ja, der klassische 1920s Charleston ist ein Solotanz.
3. Wie viele Varianten gibt es?
Mindestens fünf etablierte Stile, dazu unzählige moderne Interpretationen.
4. Passt Charleston nur zu Jazz-Musik?
Nein. Auch zu Elektroswing oder schneller elektronischer Musik funktioniert er.
5. Wo kann man Charleston heute tanzen?
In Swing-Communities, Tanzschulen, auf Festivals oder in Clubs mit Elektroswing.
Labels:
Charleston, Tanzen, Swing, 1920er Jahre, Tanzgeschichte, Elektroswing, Lindy Hop, Gesellschaftstanz
Meta-Beschreibung:
Steckbrief zum Charleston: Ursprung, Varianten, Technik, Musik und heutige Bedeutung. Faktenreich, locker erklärt – von den 1920ern bis zum modernen Electroswing.
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